In diesem Blogbeitrag erhalten Sie einen Überblick über Thema, Ziele und Inhalte des OER-Tandemprojekts “Alternativen zum Tierversuch: Grundlagen, Beispiele und ethische Abwägungen”. Gefördert wird das Vorhaben im Rahmen der MWK-Initiative OER für den Hochschulbereich.
Ein Artikel von Bernhard Hiebl und Marcel Mertz
Bild von Sarah Brockmann, freigegeben unter CC 0 (1.0)
Jährlich kommen in Deutschland 2,8 Mio. Tiere in 2.899 Tierversuchen (AnimalTestInfo, Mittelwert von 2017-2019) zum Einsatz. Tierversuche werden seit einiger Zeit gesellschaftlich-moralisch kritisch betrachtet (Zufügen von Leid an und Instrumentalisierung von Tieren), z.T. aber auch wissenschaftlich kritisiert (Übertragbarkeit und Qualität der Forschung). Das Thema ist daher, wie auch Tierschutz – zunehmend auch Tierrechte – generell eine gesellschaftlich teilweise kontrovers ausgetragene Thematik, die gerade in der Human-, Tier- und Zahnmedizin sowie in den Naturwissenschaften höchste Bedeutsamkeit aufweist, da dort die Tierversuche schließlich durchgeführt werden. Aber auch die Tierethik als etabliertes Teilgebiet der philosophischen Ethik äußert sich zuweilen sehr kritisch zu diesem Thema, u.a. ausgelöst durch Peter Singers Standardwerk Animal Liberation. Tierschutz und Tierversuche sind ferner auch Themen der (medizinischen) Forschungsethik; dadurch werden diese Themen auch geisteswissenschaftlich intensiv bearbeitet.
Ungeachtet der Präsenz dieser Themen in der Medizin sowie in den Natur- und Geisteswissenschaften wird den Alternativmethoden zum Tierversuch vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt, insbesondere in den Lehrmaterialien – und das obwohl Kompetenzen zu Alternativmethoden zu einem festen Bestandteil der Ausbildung all derjenigen geworden sind, die experimentell mit Tieren arbeiten möchten. Das betrifft alleine in Niedersachsen mehr als die Hälfte (58%) der Hochschulen und Universitäten. Insbesondere fehlt oft die Verbindung zwischen den wissenschaftlich-technischen Grundlagen von Alternativmethoden und der ethischen Reflexion und Abwägung.
Die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo, AG Hiebl) und die Medizinischen Hochschule Hannover (MHH, AG Mertz) adressieren daher mit diesem Verbundprojekt eine OER-Sammlung zum Thema „Tierschutz und Ethik“, mit einem ersten Schwerpunkt auf den erwähnten Alternativmethoden zum Tierversuch. ,
Die Kompetenzen der beiden antragstellenden Arbeitsgruppen werden zusammengeführt, um für den steigenden Informations- und Lehrbedarf zum Thema Tierschutz im Versuchstierbereich einen barrierefreien Zugang zu hochwertigen OER-Materialien zu leisten. Die Architektur der Sammlung soll dabei so aufgesetzt werden, dass sie um andere Aspekte des Tierschutzes, z.B. bei Nutztieren oder in privater Haltung, ergänzt werden kann, zumal auch in diesen Bereichen viele ethische Fragestellungen auftreten. Auch hinsichtlich anderer Themenbereiche, wie z.B. „Tierschutz und Wirtschaft“ oder „Tierschutz und Politik“, sind Erweiterungsmöglichkeiten denkbar.
Community-Building
Um sicherzustellen, dass die OER fachlich korrekt sind, wird ein zweistufiges Peer-Review-Verfahren eingeführt. In der ersten Stufe werden die OER-Inhalte durch einen Fachwissenschaftler des virtuellen TiHo-Zentrums für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (VZET) und durch einen Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für zelluläre Biotechnologie (DGZBT) geprüft; die ethischen Inhalte werden von Dr. Gerald Neitzke, einem Wissenschaftler der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) mit Ethik-Didaktik-Kenntnissen geprüft Eine finale Evaluierung durch Studierende erfolgt an der TiHo im Rahmen der Kurse zum Erwerb der versuchstierkundlichen Sachkunde gemäß §16 Tierschutzversuchstierverordnung. Diese Kurse sind von der Fachgesellschaft (GV-SOLAS) akkreditiert und als Blended-Learning-Kurse im Flipped Class Room-Format aufgebaut. Pro Jahr nehmen 186-200 Teilnehmer an den Kursen teil.
Am Projekt beteiligte Personen
Tierärztliche Hochschule
• Prof. Dr. Bernhard Hiebl
• Christian Nordmann
• Christian Gruber
• Elias Warzecha
• Miriam Kanwischer
Medizinische Hochschule
• Dr. Marcel Mertz
• Ines Sophie Pietschmann, m. mel.
• Felicitas Selter, PhD
• Dr. Hannes Kahrass
• Sarah Strathmann
Dieser Artikel von Bernhard Hiebl und Marcel Mertz ist – sofern nicht anders an einzelnen Inhalten angegeben – lizenziert unter CC BY (4.0)